Werte und Leitlinien

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      Werte- Davon lässt sich das SiS Team leiten

      Wir sind als eine eigenständige und unabhängige Gruppe gestartet. Dafür gibt es verschiedene Gründe. So wollen wir zum Beispiel nicht gleich zu Beginn unnötige Grenzen ziehen oder vorschnell Restriktionen aufstellen. Wir wollen einerseits werteorientiert agieren, andererseits aber auch stets offen für neue Ideen sein und uns gemeinsam kontinuierlich und selbstkritisch weiterentwickeln. Dazu ist es auch notwendig sich selbstbewusst Vorurteilen und Stigmata entgegen zu stellen:

      Auf das, was und wie wir waren, sind wir nicht immer stolz – Auf das, was wir bis heute aus uns gemacht haben hingegen schon! 

      Unser Selbstverständnis sowie unsere Werte und Leitlinien haben sich aus der vorangegangenen Gruppentherapie und aus dem Wertegefüge der Teilnehmer ergeben. Besonders am Herzen liegen uns einige grundlegende Werte und Denkhaltungen:

      Wir müssen uns gegenseitig vertrauen und aufeinander verlassen können. Vertrauen und Verbindlichkeit ermöglichen erst die notwendige Sicherheit um über sehr persönliche Themen zu sprechen, die oft mit Scham und Angst vor Ablehnung verbunden sind. Die Selbsthilfegruppe ist auch immer ein stückweit Schutzzone und bietet dadurch ein hohes Maß an Geborgenheit.

      Was im SiS Team Raum bzw. Rahmen ge- und besprochen wird ist im höchsten Maße vertraulich und wird als solches behandelt. 

      Wir respektieren und achten jeden Teilnehmer und seine Meinung. Respekt, Wertschätzung, Partizipation, Vielfalt, Einfühlsamkeit und Empathie zählen zu unseren zentralen Werten und bestimmen unser besonderes Miteinander. 

      Diskriminierende, abwertende oder aggressive Äußerungen sind unerwünscht.

      Wir als Selbsthilfegruppe lassen keinen Raum zu für Vorurteile und negative Klischees, wir wollen uns und andere Betroffene vielmehr davor schützen.

      Offenheit gegenüber Neuem und Anderem, wie z.B. andere Denk- und Herangehensweisen, neue Erkenntnisse und Offenheit gegenüber Ungewohntem und scheinbar Fremdem schult und erhält die notwendige Selbstreflektion für ein abstinentes Leben.  

      Sucht kennt keine Konfession,
      keine Grenzen,
      kein Geschlecht,
      keine Ethnie,
      und keine sozialen Unterschiede.

      Gruppen-Mitglieder sollten ihre Gefühle ergründen und spüren. Gefühle sind genauso wichtig wie Informationen, daher wird über Gefühle offen gesprochen. Man ermutigt sich gegenseitig.  Uns als Gruppe ist Ausgleich und Harmonie wichtig. Die Gruppen-Mitglieder gehen daher achtsam miteinander um. Jeder hat
      den anderen im Blick. Die Gruppen-Mitglieder haben natürlich auch Spaß miteinander.

      Offene Kultur mit sinnvollen Regeln und Grenzen

      Es gibt grundsätzlich eine freie und offene Atmosphäre in unserer Gruppe. Spontanes sollte immer möglich sein und wenn einmal Spannungen auftreten, kann zum Beispiel auch Humor ein Gegenmittel sein. Trotzdem werden bei uns auftretende Streitigkeiten nicht „unter den Teppich gekehrt“. Wir versuchen nicht auszuweichen oder zu „kneifen“ wenn es brenzlig wird. Es lassen sich jedoch nicht alle Themen ausdiskutieren und sollten nicht  zerredet werden. Wichtig ist uns, dass bei aller Leidenschaft für das Diskutieren die für das Team sinnstiftenden Kernthemen Alkohol, Abstinenz, Erfahrungsaustausch, Rückfall-Prävention und die Gruppensynergien innerhalb dessen nicht aus dem Fokus geraten. Daher gilt für uns: ! Immer im Fokus: Der Sinn und Zweck unserer Selbsthilfegruppe !

      Auch die Feststellung, dass es mehr als eine Meinung zu einem Thema gibt, kann ein stabiler Konsens sein.

      Wir hören einander zu und lassen uns ausreden. Es finden möglichst keine Seitengespräche statt, denn wir wenden uns einander zu und fokussieren uns uns auf die Person, die gerade spricht.  Es wird oft den Wunsch nach Rück-Meldungen (Feedback) geben, mal von der Person die das Wort hat, mal von den Zuhörern in Form von Rück- und Nachfragen. Wir dürfen immer um ein Feedback bitten und wir dürfen immer darum bitten, keines zu geben. Es sollte jedoch in der Regel nur Feedback gegeben werden, wenn der Betroffene bzw. die Betroffene es ausdrücklich möchte. 

      Feedback „richtig“ zu geben ist eine Kunst.         

      Der (Erfahrungs-) Austausch, das Gespräch und die Reflektion darauf hin sind für den Bestand einer Gruppe existenziell. Feedback zu geben oder der Umgang mit erhaltenem Feedback bedarf einiger Übung um Fettnäpfchen oder gar echte Konflikte zu vermeiden.      

      „Ich weiß nicht, was ich gesagt habe,
      bevor ich die Antwort meines Gegenüber gehört habe.“

      Paul Watzlawick 

      Ein Feedback ist für uns frei von normativen Formulierungen, Vorwurfshaltungen, Bewertung, Generalisierung, und Ratschlägen (Zitat: „Ratschläge sind auch Schläge“). Wir vermeiden gewissenhaft Interpretationen und Spekulationen über andere. 

      Wenn ich Feedback erhalte, ist das positiv.

      Wenn wir als Gruppenmitglied Feedback erhalten, versuchen wir nicht sofort uns  zu verteidigen oder eine Sache richtigzustellen. Feedback soll schließlich keinesfalls als ein anderes Wort für Kritik verstanden werden.  Wir verstehen, dass uns keine objektiven Tatsachen mitgeteilt werden können, sondern subjektive Gefühle und Wahrnehmungen eines Gegenübers. Feedback ist zuerst einmal etwas positives, das wir gespiegelt bekommen, wie unser Gesagtes auf andere gewirkt hat. So können wir zum Beispiel auch überprüfen, ob wir überhaupt richtig verstanden wurden. Wir versuchen uns dem erhaltenen Feedback erst inne zu halten, das gesagte auf uns wirken zu lassen, dann von unseren Gefühlen und Eindrücken zu sprechen, die durch das Feedback ausgelöst worden sind. Erst dann sollten wir auf den Inhalt eingehen. So lernen nach und nach alle in der Gruppe, nicht mehr aneinander vorbei zu reden und sich besser zu verstehen. 

      Unser Ego 

      Feedback wird jedoch nicht immer so einfach und zielführend aufgenommen und verarbeitet. Nicht selten kann man beobachten, dass sich während und nach vermeintlich konstruktivem Feedback meist unbewusst Mimik und Körperhaltung  verändert haben. Der Kiefer verspannt, die Arme verschränken, der Blick sucht sich einen Fixpunkt im Raum und der generelle Grad der Geselligkeit nimmt doch deutlich ab.

      Das Bild das wir von uns selbst haben ist uns unterschwellig immer vor Augen und ein wesentlicher Faktor, der die Aufnahme von Feedback beeinflusst. Unser Selbstbild ist geprägt durch alle Erfahrungen, Glaubensgrundsätze und Innenansichten. Somit werden auch Feedbacks selbst zu einem nicht näher bestimmten Anteil wiederum das Selbstbild beeinflussen.

      Plötzlich neue Menschen – das unterschätzte Phänomen 

      Wer Feedback gibt, macht keinen Unterschied? Leider ist es tatsächlich so, dass wir das exakt identische Feedback von unterschiedlichen Personen ebenso unterschiedlich aufnehmen und verarbeiten. Warum? Wir vertrauen Personen, die uns nahestehen. Wir haben Klarheit hinsichtlich ihrer Motive und Beweggründe, wir wissen um ihr Urteilsvermögen und haben gemeinsam auch unangenehme (Feedback-) Situationen durchlebt, ohne dass ein Schaden entstanden ist.

      Dieses Vertrauen und die Klarheit ist vor allem am Anfang in einer neu entstehenden Gruppe seltener gegeben. Rückmeldungen einer oder mehrerer Personen kann ungewollt Misstrauen auslösen, da uns die Vertrautheit fehlt. Wir sind eben nicht immer davon überzeugt, dass der Geber nur unser Bestes verfolgt. Zumal bei Personen, zu denen wir (noch) ein vermeidlich distanziertes Verhältnis besitzen.

      Es gilt also sich dessen bewusst zu sein und – sofern mangelndes Vertrauen in einer akuten Situation ein Thema sein könnte – den sachlichen Kern der Aussage und die Persönlichkeit des Feedbackgebers voneinander losgelöst zu betrachten. Verstehe ich den Sinn des Feedbacks und kann ich eine konkrete Handlungsalternative filtern? Wie sehe es aus, wenn die gleiche Rückmeldung von einem Freund oder einer Freundin geäußert worden wäre? Würde ich mich leichter damit tun, eine hilfreiche Botschaft zu erkennen?

      Es hält uns zudem niemand davon ab, das Feedback dankend entgegenzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt nochmals das Gespräch mit dem Geber zu suchen. Wir können jederzeit Änderungen zum Gesprächsverlauf vorschlagen und aktiv nachfragen, ob dies zu einem anderem oder sogar gewünschten Ergebnis führen würde. Wir werden spätestens hier Gewissheit bekommen, ob jemand an einer Verbesserung wirklich interessiert ist, oder ob es nur darum geht, um der Kritik willen zu Feedback zu geben.

      Wir sind ein Team. Wir agieren und wirken miteinander. Wir bringen uns aktiv ein um das Themenfeld Alkohol, Sucht, Abhängigkeit etc. in der Gruppe nie aus den Augen und aus dem Gruppenalltag zu verlieren. Wir erhalten und bauen unsere Achtsamkeit kontinuierlich aus.   

      Wir haben, jeder für sich, individuelle Erfahrungen und wollen diese als Hilfestellung zum Austausch anbieten – ganz ohne „Besserwisserei“. Wir üben uns in regelmäßiger Selbstreflektion – als Gruppe und jeder einzelne für sich. 

       

      Unser Umgang mit Rückfällen

      Ein Rückfall ist eine Form der Krankheitssymptome. Eine Selbsthilfegruppe kann Dich vor einem Rückfall schützen. Aber Du wirst auch von ihr aufgefangen, falls er doch passiert. So lautet unser Anspruch und unser Verständnis. 

      „Die grosse Angst vor einem Rückfall scheint bei Betroffenen und in Suchtselbsthilfegruppen «eingebrannt» – und diese Angst macht manchmal eine Bearbeitung von Rückfällen, eine nutzbringende Auseinandersetzung mit Hintergründen und Rückfallauslösern schwierig. Gleichwohl dürfen wir konstatieren, dass in jenen Gruppen, die offen mit der Rückfallthematik umgehen, diese Angst minimiert wird. Das Gespräch über Rückfall, über Gefährdungssituationen und Hilfemöglichkeiten darf jedenfalls gerade in der Selbsthilfegruppe kein Tabu sein; es muss vielmehr zur Pflicht werden! Es sollte in der Gruppe ausreichend Gelegenheit geben, Rückfallfantasien und Rückfallängste zu besprechen.“ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG)

      Wir möchten uns in unserem Team konstruktiv und aktiv mit einer Rückfall-Aufarbeitung befassen. Das gelingt uns nur, wenn wir das Thema nicht tabuisieren oder gar als Ausschlusskriterium definieren.

      Mit dem Stigma «haltlos, willensschwach und labil» haben heute Menschen mit einer Abhängigkeitsproblematik immer noch zu kämpfen, und dieses Stigma findet auch immer noch ein Echo bei der Einstellung gegenüber Rückfällen – in alte Verhaltensweisen und in abhängige Konsummuster. Rückfall wird in diesem Kontext häufig als Indiz für diese Labilität gewertet und sowohl von Betroffenen und Angehörigen, aber auch von helfenden Menschen zwar nicht generell aber doch punktuell als persönliches Versagen etikettiert und mit Schuldsuche und Schuldzuweisungen belegt.

      Vor diesem Stigma wollen wir uns gegenseitig in der Gruppe schützen. 

      „In Situationen eines Rückfalls muss die zentrale Botschaft der Gruppe an den Rückfälligen sein: «Du fällst nicht aus der Gruppe heraus, sondern in die Gruppe hinein, die Dich auffängt». So ist es möglich, einen Rückfall in der Gruppe zu besprechen und zu bearbeiten.“ (DAG SHG)

       Rückfall kann eine Chance sein

      Auch in der Selbsthilfe hat sich die Sicht auf den Rückfall und der Umgang mit ihm in den letzten Jahren verändert. Die Zeiten, als ein Rückfall ausschliesslich moralisiert oder moralisierend bewertet wurde, sind überwunden. Etikettierungen wie bspw. «Rückfall ist eine Katastrophe, endgültig, unnormal» oder auch «Der erste Konsum führt unweigerlich zum Kontrollverlust – der/die Betroffene hat keine eigenen Einflussmöglichkeiten (mehr)» helfen nicht weiter und sind im Übrigen schlichtweg falsch. Stattdessen hat sich in der Selbsthilfe das sog. «konstruktive Rückfallmodell» durchgesetzt – verdeutlicht durch folgende Botschaften:

      • Ein Rückfall kann eine Chance sein, festgefahrene Verhaltensweisen und Automatismen in Frage zu stellen, zu überdenken.
      • Rückfall ist die Regel, nicht die Ausnahme. Daher ist es wichtig, sich mit dem Thema zu beschäftigen und Alternativ- oder Hilfepläne in der Tasche zu haben.
      • Mit dem Rückfall tritt ein altes Lösungsmuster wieder in Kraft. Er ist ein Zeichen für Probleme und ein Signal für die Suche nach Bewältigungsmöglichkeiten.
      • Rückfälle passieren nicht automatisch; die/der Betroffene trifft Entscheidungen und verhält sich in einer Weise, die Rückfälle möglich bis wahrscheinlich machen.
      • Rückfall ist nicht gleich Rückfall! Der/die Betroffene hat Einfluss auf den Ablauf und auf die Beendigung.

        (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG)


      Um eine Gefährung durch Triggern innerhalb der Gruppe zu vermeiden ist es, trotz aller Offenheit, wichtig, dass ein Gruppenmitglied während des Gruppentreffens nüchtern ist. Die Symptome eines akuten Rückfalls oder einer akuten Abstinenzverletzung können sich stark triggernd auswirken.